Sagen des Gesagten

Er sagte, dass er das nie gesagt habe.
Sie sagte, dass er das sehr wohl gesagt habe, und auch andere sagten, dass er das gesagt habe.
Sagte er, dass er so etwas nie und nimmer gesagt habe und dass das von ihr und diesen anderen Personen angeblich mit angehörte Gesagte die reine Unwahrheit sei.
Sie sagte, ob er sie etwas der Lüge zeihen wolle?
Er sagte, dass ihm dieses Verb unbekannt sei.
Sie sagte, so weit sei es also schon gekommen mit dem Verfall von Bildung und Kultur.
Er sagte, ob sie damit etwa sagen wolle, er sei ungebildet?
Sie sagte, genau das habe sie sagen wollen.
Er sagte, warum sie es ihm denn dann nicht direkt ins Gesicht sagen könne, sondern sich hinter irgendwelchen uralten Floskeln verschanze.
Sie sagte, dass es ihr also doch wohl gelänge, ihm ein bisschen Bildung zu entlocken, denn das sei ja ein ganz beachtlicher Satzbau.
Er sagte, das seien alles Nebensächlichkeiten und Ablenkungsmanöver und kinderleicht zu durchschauen.
Sie sagte, er könne sie mal.
Er sagte, allein die Vorstellung davon brächte ihn an den Rand des Erbrechens.
Sagte die Dritte, die bisher geschwiegen hatte, sie sei der Leerheit des hier Gesagten überdrüssig, sie sollten sich gefälligst die Hand geben und damit die gesagte Sache, die ohnehin eine reine Nichtigkeit sei, aus der Welt schaffen.
Er sagte, dass er dann lieber gehen würde, denn dass man ihm gesagt habe, er könne jemand am Arsch lecken, ginge einfach zu weit. Das sei jenseits von unappetitlich.
Sie sagte, es sei typisch für ihn, alles Gesagte so wortwörtlich zu nehmen und es sich in allen Details vorzustellen.
Er sagte, sie habe keine Ahnung von ihm und habe nicht die geringste Berechtigung, von etwas für ihn Typischem zu reden.
Sie sagte, auch diese Verbissenheit sei typisch für ihn.
Er sagte, sie könne einfach nicht nachgeben, das sei typisch für sie. Ob ihr das noch niemals gesagt worden sei?
Sie sagte, das gehe ihr aber nun wirklich über die Hutschnur.
Er sagte, sie habe ja nicht einmal eine Hutschnur.
Nun musste die Dritte trennend einschreiten, denn auf Grund dessen, was gesagt worden war, waren die beiden Streithähne aufeinander zugetreten, hielten sich wütend bei den verkrampften Händen und stierten sich aus kürzester Entfernung an.
Die Dritte sagte, wie’s denn mit einem Kuss wäre? Die Entfernung und das Händchenhalten stimmten ja schon.
Na ja, sagte er.
Na ja, sagte sie.
Sie küssten sich.

(400 Wörter)

– Johannes Beilharz (© 2023)

Foto von Priscilla Du Preez auf Unsplash

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..